einer gewöhnlichen Unterhaltung von zwei Menschen in der Regel jeweils nur das eigene "Innere Bild" verteidigt wird. Jeder möchte sein "Inneres Bild" dem anderen so plausibel wie möglich machen. Es kommt so etwas wie ein triumphales Gefühl hoch, wenn der Gesprächspartner das eigene "Innere Bild" ganz oder teilweise übernimmt, wie der Kunde des Malers, der das Bild kauft, weil es seinem eigenen "Inneren Bild" am ähnlichsten ist.
Wie entstehen eigentlich die "Inneren Bilder"? Zweifellos können keine "Inneren Bilder” ohne die auf uns permanent wirkenden "Äußeren Bilder" entstehen. Die "Äußeren Bilder" formen oft ein Leben lang das "Innere Bild " eines Menschen.
Natürlich ist das "Innere Bild" eines Malers mit einem akademischen Studium ein anderes als jenes der Frau Huber aus Oberbayern. Aber kein Maler sollte so arrogant sein, Frau Huber wegen ihres "Inneren Bildes" zu belächeln.
Frau Huber hat sich im Kramladen ihres Dorfes ein Bild ausgesucht, das fortan dicht neben dem Kamin hängen soll, dort wo ihr Mann abends immer sein Pfeifchen raucht, nach einem 12-Stunden-Tag, wenn alle Tiere im Stall versorgt sind, versteht sich. Der Mann auf dem Bild raucht ebenfalls Pfeife und entspricht dadurch am ehesten dem "Inneren Bild" von Frau Huber – von einer gemütlichen Atmosphäre. Ein Leben lang hat sie mit ihrem Mann hart auf dem Hof gearbeitet und nun soll sie sich einen Kandinsky an die Wand hängen?
Im Gegensatz dazu der Kunststudent aus München, der Sohn von Frau Huber, der mit ihr noch das schöne Bild mit dem Pfeiferauchenden Mann ausgesucht hatte.
Erst einmal als Student eingeschrieben, wird er sofort in die Mangel genommen. Die Gänge in der Akademie sind voller moderner Kunst. Gemalte Bilder pfui Teufel und womöglich mit Rahmen? Nein, es lehnen Eisenplatten an der Wand, an Nägeln glitzern winzige Fähnchen aus Aluminiumfolie. An den Mienen der Professoren und der älteren Studenten kann der junge Huber ablesen, was echte Kunst ist. Unser Student wird ausgerichtet, ob er will oder nicht. Die anderen sind es schon, glauben aber, sie hätten sich ihre "Inneren Bilder" selbst erarbeitet. Möglicherweise sind ja darunter auch echte "Innere Bilder" und nicht nur bis zum Exzess abgewandelte Kopien. Wie sollte es auch anders sein, die täglich auf den jungen Huber einwirkenden Einflüsse sind allgegenwärtig, sie sind nichts weiter als die umher geisternden "Inneren Bilder" der Professoren; und im Kopf des jungen Hubers war ja bisher noch nichts –außer der Vision von dem Pfeife rauchenden Mann.

An dieser Stelle geht mir ein Licht auf, warum mich die Höhlenmalerei unserer Vorfahren immer so fasziniert. Diese Bilder sind für mich Musterbeispiele echter "Innerer Bilder". Sie verkörpern für mich die Seele der Menschen. Nur das Wesentliche haben sie gezeichnet. Trotz der voluminösen Tierkörper ahnt man die Schnelligkeit und Eleganz der Tiere. Obwohl sie von den Tieren lebten und sie töten mussten, kommt in den Bildern eine gewisse Achtung vor ihnen zum Ausdruck.

Ein Künstler kann noch so wundervolle "Innere Bilder" im Kopf haben, sie können aber erst auf Menschen wirken, wenn er in der Lage ist, diese hervorzuholen und darzubieten. Und diese Fähigkeit muss ein Künstler sich erst erarbeiten. Gott sei Dank empfindet kein Künstler sein künstlerisches Schaffen als Arbeit. Normalerweise arbeitet er wie besessen, weil er einem inneren Druck nachgeben muss. Und schon wieder sind wir bei den "Inneren Bildern". Sie müssen heraus, sonst platzt der Schädel.

"Innere Bilder" lassen sich nicht so ohne weiteres hervorzaubern. Sie erfordern außer Arbeit ... mehr: