Zum Thema Malen

Aufsatz von Eberhard Malwitz, März 1996

Vieles weiß man schon über dieses Thema, und fast alles ist schon einmal irgendwo geschrieben worden. Doch vielleicht schadet es nicht, sich einige Überlegungen dazu wieder ins Bewusstsein zu holen.
Weder in der Musik noch in der Malerei interessiert irgendjemand, dass ein Interpret oder Maler fähig ist, den Inhalt eines Notenblattes bzw. eines Malmotivs artig wiederzugeben. Allenfalls wird die handwerkliche Geschicklichkeit des Musikers bzw. Malers bewundert. Doch das ist zu wenig, eine gekaufte CD, bespielt von den Berliner Philharmonikern, gibt das Lied viel besser wieder und ein Foto erfasst das Motiv noch exakter als der Maler es könnte. Übrig bleibt der Trost, dass man die Auswahl des Liedes bzw. des Motivs selber vorgenommen hat, was natürlich auch eine gewisse Befriedigung verschafft. Aber man kann nicht behaupten, es stammt von einem selbst. Alle, die schon einige Jahre malen, bilden in der Regel ein Motiv nicht nur realistisch ab, sondern interpretieren es bewusst oder unbewusst auf die ihnen eigene persönliche Art. Wer z.B. beim Malen einer Winterlandschaft zu wärmeren Farben greift, nimmt der winterlichen Kälte ihren lebensfeindlichen Charakter und verleiht dem Motiv etwas Positives und Einladendes. Ob man bei Erinnerungen an Winterlandschaften eher an sonnige Schneeverwehungen oder an Schneematsch, eisige Stürme und Hunger denkt, hängt nicht nur von früheren Erlebnissen, sondern unter Umständen insbesondere von der grundsätzlichen persönlichen Lebenseinstellung oder der augenblicklichen Verfassung ab. Dabei ist es für das eigene Malen vollkommen unerheblich, ob man eine negative oder positive Grundeinstellung hat, wesentlich ist nur, dass die persönliche Einstellung überhaupt herüberkommt. Ich muss noch genauer werden, um diesen Punkt deutlich zu machen: Man soll sich nicht vor seinem Motiv hinsetzen, das man freilich selbst ausgewählt hat, und seine Augen an den Linien, Flächen und Formen im wahrsten Sinne des Wortes verhaften, sondern auch auf seine innere Stimme hören. Ein Motiv, das man sich ausgewählt hat, beinhaltet bereits etwas von dem, was man liebt, sonst hätte man sich etwas anderes ausgesucht. Mit einem Motiv, das der Lehrer ausgesucht hat, kann man sich dagegen meistens nur oberflächlich identifizieren und versteht die Angelegenheit als einen Malauftrag, den man abarbeiten soll. Ich erinnere mich an einen mir bekannten Kasseler Maler, der den Auftrag hatte, die Frau des Bürgermeisters gegen ein anständiges Honorar in einer vom Bürgermeister erdachten Stellung des Modells zu malen. Trotz des dringend benötigten Geldes, war er nicht in der Lage, sich mit dem Auftrag innerlich so weit zu identifizieren, dass ihm das Bild wenigstens einigermaßen gelang. Er entwickelte hingegen eine solch starke Abneigung gegen diesen Malauftrag, dass er die Bürgermeisterfrau noch hässlicher malte als sie ohnehin schon aussah und der Kauf des Bildes deshalb nicht zustande kam. Der Weg zu einer Malerei, die aus dem Inneren geboren wird, ist weit und insbesondere mit Arbeit verbunden. Niemand soll sich einbilden, dass er die Phase der Arbeit überspringen und sofort in die Welt der Abstraktion eintauchen kann. Dieser Weg ist gemogelt und Kunstsachverständige können mit Leichtigkeit feststellen, ob solche ... mehr: